Nacherziehung

Eine Frage der pädagogischen Haltung
– oder:
Und bist du nicht willig,
so brauch ich Gewalt.

Nacherziehung im Spannungsfeld zwischen Erziehungswissenschaft, Psychiatrie, Psychologie, Sozialpädagogik – und Beziehung.

Früher schrieben Pädagog:innen Bücher über Erziehung, in denen sie von ihren praktischen Erfahrungen und theoretischen Überlegungen berichteten. Heute besetzen dieses Feld primär Professor:innen der Erziehungswissenschaften oder Jugendpsychiatrie, die ihre wissenschaftlichen Ergebnisse und Theorien veröffentlichen.
Diese Fachinhalte gehören zur ersten Sorte: sie wurden von einem pädagogischen Praktiker mit jahrzehntelanger Erfahrung geschrieben. Ich stelle in geraffter Form wesentliche Theorien gut verständlich dar und zeige in Theorie-Praxisbezügen die Herausforderungen des pädagogischen Alltags.

Viele stationäre Einrichtungen stammen aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Sie sind mit ihren Konzepten in der Vergangenheit verhaftet – und sind deshalb für die Lösung der aktuellen Erziehungsprobleme teilweise völlig ungeeignet. Ich stelle mögliche pädagogische Grundlagen für eine zeitgemässe stationäre Erziehung und Nacherziehung dar. Die Inhalte umfassen geschichtliche, gesetzliche und gesellschaftliche Entwicklungen der stationären Nacherziehung ebenso wie die schwierige Normen- und Wertediskussion, die Sozialisation oder Ich-Entwicklung. Auf diesen Grundlagen habe ich in der Praxis die Anforderungen an eine zeitgemässe, individualisierte stationäre Pädagogik entwickelt, welche die neuen Erkenntnisse der Neurobiologie, Bindungstheorie, Traumapädagogik und geisteswissenschaftlichen Pädagogik anwenden soll.

Einerseits haben sich die Störungsbilder von verhaltensauffälligen, dissozialisierten und traumatisierten Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Andererseits sind sich die Wissenschaften heute insgesamt recht einig in den Anforderungen an eine heilende Erziehung. Beides wird nicht oder höchstens ansatzweise und zögerlich in den stationären Institutionen umgesetzt Die Inhalte habe ich geschrieben für Menschen, die mit ‹schwierigen› Kindern und Jugendlichen arbeiten. Es kann aber auch erfahreneren Pädagog:innen, Sozialarbeitenden, Psycholog:innen oder Mitarbeitenden von einweisenden Behörden ergänzende Sichtweisen bieten.

Die Inhalte

  • bieten eine Einführung in die Thematik der Nacherziehung – in die Inhalte, Definitionen, Abgrenzungen und zeigen die unterschiedlichen pädagogischen Zugänge in den Institutionsarten.
  • sind auch eine Kritik an der heutigen Erziehungswissenschaft, die wenig (bis nichts) zur Lösung von praktischen Problemen in stationärer Erziehung beiträgt. An Beispielen wie dem „Normen-Werte-Konflikt“ oder dem „Theorie-Praxis-Konflikt“ zeigen sich bestehende Dilemmas klar.
  • wollen ein Verständnis für dissozialisierte Jugendliche fördern: mehrheitlich sind es sensible, vulnerable Persönlichkeiten. Nur sehr wenige sind stark kriminell, die man wegsperren muss.
  • sollen aufzeigen, dass die heute in grossen, etablierten Institutionen angewendete Nacherziehung ein Resultat der geschichtlichen Entwicklung ist. Sie sind das Ergebnis einer gesamthistorischen „Differenzierung der Institutionen“ – die jedoch heute nicht mehr zeitgemäss ist. Heute – und in der Zukunft – sind vielmehr Kleininstitutionen gefragt, die einen konsequenten individualisierten Zugang in einer heterogenen Durchmischung ermöglichen. Unsere Zauberworte sind „Alltagsbeziehungen mit den Jugendlichen zusammen leben“ und „Soziodiversität“.

Tenero, 28.03.2024 / Bruno Weber

DAS NENNT SICH (ERLEBNIS-) PÄDAGOGIK – UND FINDET MANCHMAL IN UNWIRTLICHEN SITUATIONEN STATT

GENERELL GILT ZUDEM: NICHT ALLE PÄDAGOGISCHEN ANGEBOTE UND INTERVENTIONEN STOSSEN AUF BEGEISTERUNG