10.1 Persönlichkeit und Aufgabe der Pädagog:innen

Der griechische Philosoph Aristoteles (384-322 v. Chr.) hat den Menschen als Zoon politikon beschrieben, «als Lebewesen in der Polisgemeinschaft». Der Duden gibt dem Begriff ‹Zoon politikon› die Bedeutung «der Mensch als soziales, politisches Wesen». Nach dem 2. Weltkrieg schuf der amerikanische Psychologe und Psychotherapeut Carl R. Rogers den Begriff der bedeutsamen Anderen («significant others») im Zusammenhang mit professionellen Beziehungen. Rogers versteht den Menschen ebenfalls als primär soziales Wesen. Der Mensch kann aber nur ein soziales Wesen und ein eigenes Selbst werden in der sozialen Auseinandersetzung mit ihm bedeutsamen anderen Menschen. John Bowlby hat diese Sichtweise in seiner Bindungstheorie (vgl. Kap. 6.1) erweitert indem er die Voraussetzungen beschrieb, die ein Kind benötigt, um eine sichere und zuverlässige Bindung entwickeln zu können. Nur wenn das Kind von seinem Bindungssystem Schutz, Zugewandtheit und Sicherheit erlebt, kann es sichere Bindungen zu anderen Menschen entwickeln. Diese Fähigkeit bildet zugleich die Voraussetzung, damit das Kind seine Umwelt explorieren (= erforschen, erkunden) kann, seine inneren und äusseren Lebensmöglichkeiten besser kennenlernen, sein Wissen und seine Erfahrungen in der Welt erweitern kann.

Wenn Kinder und Jugendliche nicht bei ihren Eltern aufwachsen können, stellt sich die Frage wer denn diese ‹bedeutsamen Anderen› sind: Wer kann oder muss die jungen Menschen in stationären Institutionen zu sozialen, politischen Wesen erziehen? Die Hauptlast – und manchmal auch Hauptfreude – geht an die Pädago:innen in der Betreuung, Begleitung und Schulung. Sie sind es, die mit den Kindern und Jugendlichen den Erziehungsalltag verbringen. Es muss das Ziel dieser professionellen Bezugspersonen sein, für die Kinder und Jugendlichen zu ‹bedeutsamen Anderen› zu werden.

Dies verweist auf die oft zitierte Tatsache, dass Erziehung und Beziehung in einem engen Zusammenhang stehen, Erziehung ohne Beziehung nicht gelingen kann – oder positiv formuliert: Erziehung ist Beziehung. Allgemeiner, auf das Menschenleben bezogen. formulierte dies der Philosoph Martin Buber: «Alles wirkliche Leben ist Begegnung» (Buber 1984, 85). Die geistige Dimension der pädagogischen Arbeit offenbart sich zudem in Bubers Wort: «Der Mensch wird am Du zum Ich» (ebd. 97).  Erziehung – Beziehung – Entwicklung: das sind lebenslange Aufgaben für jeden Menschen.

Eine weitere interessante Sichtweise liefert der Konstruktivismus. Aus systemischer Sicht unterscheidet man in der menschlichen Kommunikation zwischen einer Inhalts- und einer Beziehungsseite (2. Axiom von Watzlawick). Die Inhaltsseite umfasst alle Aspekte, die als direkte Botschaft, Mitteilung oder Information zwischen Interaktionspartner:innen in symbolischer Form vor allem über Sprache ausgetauscht werden. Demgegenüber geht es auf der Beziehungsseite um die wechselseitigen Einstellungen, Haltungen und Erwartungen zwischen den Interaktionspartner:innen, die wesentlich von ihren inneren Gefühlen, Wünschen und Stimmungen geprägt werden. Herkömmliche Lerntheorien zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass sie sich weitgehend an den Lerninhalten orientieren und demgegenüber die Beziehungen, in denen gelernt wird, eher in den Hintergrund rücken. Neuere konstruktivistische Ansätze betonen die Perspektive eines ‹Lernens in Beziehungen› als notwendige Ergänzung der inhaltlichen Sicht. Sie reagieren damit auf die kommunikationstheoretische Erkenntnis, dass die Beziehungsseite in der zwischenmenschlichen Kommunikation stets wesentlich in die Inhaltsseite hineinspielt und diese sogar bestimmt. Daher sind inhaltliche Lernprozesse nicht unabhängig von Beziehungsprozessen aufzufassen, sondern werden massgeblich von ihnen beeinflusst (vgl. Neubert et al. 2001).

Die Betreuung und Begleitung von verhaltensauffälligen Jugendlichen mit vielfältigen Störungsbildern in der Pubertät und Adoleszenz stellt wohl für alle Pädagog:innen eine besondere Herausforderung und Anstrengung dar. Wer sich als Pädagog:in in den Bereich der Nacherziehung hineinwagt, benötigt Kompetenzen. Sowohl die Gesellschaft als auch die Jugendlichen stellen hohe Erwartungen und Forderungen an das Können dieser Pädagog:innen. Professionelle Fachkräfte zeichnen sich aus durch Personale Kompetenzen wie eine bereits etwas gereifte Ich-Persönlichkeit mit einer reflektierenden Haltung und Transparenz. Hinzu kommt die Fähigkeit, sich auf die Sichtweisen und Entwürfe der Jugendlichen zu fokussieren: Was will dieser Mensch, woran ist er interessiert? Dies beinhaltet, den Jugendlichen als aktives Ich anzuerkennen, mit einer eigenen Biografie, einer eigenen Weltsicht und einem eigenen Willen. Bei Biografien mit Brüchen kann die Weltsicht nicht deutlich-klar, der Wille nicht aktiv sein. Der Wille ist vielmehr diffus, passiv oder reaktiv oder gar subversiv, was Pädagog:innen gerne als lästig, störrisch, als unzuverlässig auslegen, weil sie ihren pädagogischen Plan so nicht durchführen können. Pädagog:innen mit der Haltung: «Ich weiss, was für dich gut ist – und das machen wir jetzt» können bei dissozialisierten Jugendlichen nur scheitern. Ebenso führt die Haltung «Ich weiss, was für dich gut ist – aber ich höre dir jetzt mal zu» in der Nacherziehung nicht zu Erfolgen, weil die Jugendlichen solche Manöver sofort durchschauen. Es braucht heute eine pädagogische Haltung in der Richtung von: «Ich nehme dich mit deinen Erfahrungen, deinen Gedanken, Gefühlen und deinem Willen ernst. Ich lasse mich von dir nicht manipulieren und deine Äusserungen sind mir nicht Befehl. Aber ich setze mich als Mensch mit meinen fachlichen Kompetenzen im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten für dich ein.»

Die Funktion und Hauptaufgabe der Pädagog:innen ist, Bedingungen für eine Beziehung in einem offenen Dialog zu schaffen – und diese Gespräche zu führen. Professionelle Fachkräfte benötigen Fachkompetenzen, um Gespräche führen zu können, bei denen die Beteiligten ihre Sichtweisen offen äussern und gegenseitig respektiert sehen, sich über die Interessen klar austauschen, über Inhalte verhandeln und versuchen, möglichst vielen Interessen gerecht zu werden. Die Begleitung, Betreuung und Gesprächsführung stellen an die Pädagog:innen hohe fachliche Anforderungen. Denn viele der Jugendlichen sind wahre ExpertInnen im Manipulieren und Instrumentalisieren.

Eine der Hilfen kann hier das von der Sozialraumorientierung propagierte Konzept der ‹Unterscheidung zwischen Wunsch und Wille› sein. Nacherziehung ist kein Wunschkonzert in der Art von: «Was hättest du denn gerne von uns?» Solche Vorgehensweisen provozieren bei den Jugendlichen Wünsche wie: «Ich hätte gerne etwas, wozu andere etwas für mich tun müssen». Zum Erfolg führt nur die Aktivierung des eigenen Willens der Jugendlichen, so dass sie zu Äusserungen kommen wie: «Ich bin entschlossen dazu und will mit eigener Aktivität zur Erreichung meines Zieles beitragen» (vgl. Hinte 2013, 9). Ohne einem breiten theoretischen Repertoire und praktischen Kenntnissen pädagogischer Handlungsformen bleibt jegliche geforderte pädagogische Kompetenz Schall und Rauch (vgl. Prange/Strobel 2014, 7).

Eine weitere Kompetenz von Pädagog:innen beinhaltet die Bereitschaft, sich jederzeit als Ersatz-Objekt der elterlichen Erziehung zur Verfügung zu stellen und sich als Hilfs-Ich anzubieten. Was heisst das im pädagogischen Alltag? Die Fachausdrücke Ersatz-Objekt und Hilfs-Ich stammen aus der Psychoanalyse. Der Begriff Ersatz-Objekt kann in der stationären Pädagogik mit zweifacher Bedeutung belegt werden. Erstens sind die professionellen Pädagog:innen, anstelle der Eltern, die primären Ersatz-Erziehenden. Diese Rolle ist klar zu unterscheiden von ‹Ersatz-Eltern›, was Professionelle nicht sind und nicht sein wollen. Zweitens sind die Pädagog:innen im eigentlichen psychoanalytischen Sinn Ersatz-Objekt, weil sie im Alltag die Emotionen der Kinder und Jugendlichen abkriegen. Die eigentlichen Auslöser der Emotionen sind oftmals nicht sie, sondern es sind die abwesenden und manchmal auch unangreifbaren Eltern. Aber im Alltag lösen die Pädagog:innen bei den Kindern Angst, Enttäuschung, Aggression oder Wut aus, weil Pädagog:innen Entscheidungen treffen. Die darauf folgenden massiven Gefühlsausbrüche der Kinder/Jugendlichen, die oft als völlige Überreaktion erscheinen, gelten im Kern nicht den Pädagog:innen. Sie sind ‹nur› Ersatz-Objekt der abwesenden Eltern. Aber in dieser professionellen Funktion müssen Pädagog:innen solche negative Übertragungen aushalten und damit umgehen können.

Das Hilfs-Ich ist eine Behandlungstechnik, die bei Patient:innen mit einer Ich-Struktur-Labilität angewendet wird. Dabei stellt sich die therapierende Fachperson dem/der Patient:in als Hilfs-Ich zur Verfügung. In der Pädagogik geht es um eine vergleichbare Situation: Viele Jugendliche mit psychischen Problemen sind in ihrem Ich geschwächt, ihre «Ich-Funktionen» gelingen nur eingeschränkt. Zu gelingenden Ich-Funktionen gehört z.B. die Fähigkeit, Ereignisse in der Aussenwelt wahrzunehmen, sich einzufühlen und mit dem Ich adäquat zu interpretieren oder die Fähigkeit, Abläufe nicht nur zu planen, sondern mit dem Ich, den eigenen Willen aktivierend, auch umzusetzen oder auch die Fähigkeit, die eigenen Affekte mit dem Ich zu steuern. Wenn Menschen nicht über solche Kompetenzen verfügen, spricht man von einer ‹Ich-Schwäche ›.

In der Erziehung übernehmen Eltern natürlicherweise die Hilfs-Ich-Funktion für ihr Kind. Eltern treten für ihr Kind ein, sagen «Danke», wenn das Kind ein Geschenk erhält, erklären ihm, warum etwas wichtig ist, warum es traurig ist, warum etwas schmerzt, sie loben es, wenn ihm etwas gelingt. So unterstützen Eltern mit ihren Ich-Funktionen das werdende Ich ihres Kindes dauernd und auf natürliche Weise. In der stationären Betreuung müssen die Pädagog:innen – in ihrer Funktion als Ersatz-Subjekt – den Kindern und Jugendlichen als Hilfs-Ich zur Verfügung stehen. Sie müssen in vielfältiger Weise die fehlenden oder nicht entwickelten Ich-Funktionen der Kinder übernehmen oder sie müssen die Jugendlichen, besonders in kritischen Situationen, auf eine bei ihnen fehlende Ich-Funktion hinweisen. Viele Jugendliche sind beispielsweise Weltmeister im Spalten. Wenn ein Jugendlicher in seiner Spaltung die Welt nur als gut oder nur als böse wahrnimmt, braucht er jemanden, der ihm zeigt, dass die Welt sowohl gut als auch böse ist oder dass es zwischen schwarz und weiss ganz viele Grautöne gibt.

Pädagog:innen müssen bei den meisten Jugendlichen die Funktion eines Hilfs-Ichs übernehmen. Dies geschieht nicht in natürlicher Weise wie in der Eltern-Kind-Situation – stationäre Institutionen bieten per se eine unnatürliche Erziehungssituation. Pädagog:innen nehmen dabei, bildlich gesprochen, die Funktion einer Krücke ein, die Halt zu geben hat, damit die Jugendlichen sich an kleine (Fort-) Schritte wagen.

Eine der zentralsten Erfahrungen für die Jugendlichen muss sein, dass die Beziehung zu den Erziehenden belastbar und nicht leicht zu zerstören ist. Alle Jugendlichen testen in den ersten Wochen die Tragfähigkeit der Erziehenden. Wenn Pädagog:innen sich bei diesen Tests nicht als tragfähig erweisen, sind sie für die Jugendlichen abgeschrieben. Eine tragfähige Beziehung aus der Sicht der Jugendlichen bedeutet: diese Erwachsenen tragen mich und ertragen mich. Jede solche Erfahrung mit Erwachsenen ist für die Jugendlichen von bleibendem Wert. Erziehende müssen sich davor hüten, auf deviantes Verhalten von Jugendlichen mit nachtragenden Affekten oder moralisierenden Inhalten zu antworten. Solche Reaktionen sind perse pädagogische Kunstfehler. Pädagog:innen müssen vielmehr kleine und kleinste Lernfortschritte im Verhalten der Jugendlichen wahrnehmen, wiederholt bis andauernd zurückmelden und loben. Nur so kann es den Jugendlichen allmählich gelingen, ihre erworbenen und chronifizierten Haltungen wie ‹Angriff›, ‹Verteidigung› oder ‹inneres Ausweichen› allmählich abzubauen. Voraussetzung dazu sind tragfähige, wohlwollende Pädagog:innen im Alltag, die es den Jugendlichen ermöglichen, wohlwollende Repräsentant:innen der Erwachsenen (‹innere Objekte›) zu werden (vgl. Crain 2011, Heigl-Evers/Ott 1994).

Die tagtäglichen erzieherischen Interventionen, Konfrontationen oder Konsequenzen dienen als dauernde Entwicklungsreize. Sie tragen zur Klärung bei, zeigen die Entwicklungsrichtung auf, wirken Ich-konfrontierend, helfen Regressionen abzubauen und ermöglichen das Einüben neuer Verhaltensweisen. Der Dialog ist Begegnung und Konfrontation rund um die immer gleichen Inhalte – stets mit dem Ziel vor Augen, den Jugendlichen Gelegenheit zu geben, wieder mit sich selbst und der Aussenwelt in Kontakt zu kommen und darauf aufbauend nach und nach die Bewältigung der Realität zu verbessern.

Die Erziehenden vereinbaren mit jedem Jugendlichen individuelle Zielsetzungen (siehe Kap. 11.2 Erziehungsziele und Förderplanung) und kontrollieren deren Umsetzung regelmässig. So fördern die Pädagog:innen mit möglichst individuell angepassten pädagogischen Massnahmen einerseits die lebenspraktischen Kompetenzen wie beispielsweise die Zimmerordnung, die Hygiene, den Suchtmittelkonsum oder das Kommunikations- und Konfliktverhalten. Andererseits werden in diesen Prozessen zugleich die Persönlichkeitsentwicklung, die Eigenständigkeit, die Gemeinschaftsfähigkeit, die schulische Bildung sowie die persönlichen Kompetenzen der Jugendlichen unterstützt (vgl. Winnicott 1983). Diese Prozesse bilden die Voraussetzungen des Nachlernens für die Jugendlichen. Und dieses Nachlernen ist zugleich Voraussetzung für spätere Schritte, wie z.B. eine Berufsausbildung machen oder eine konstante Beziehung leben können. Das Nachlernen ist ein Alltagstraining in Bezug auf die Lebensrealität: Strukturen geben, Strukturen trainieren und Strukturen einhalten. Das verlangt von Pädagog:innen in der stationären Nacherziehung einerseits ein hohes Mass an Aufmerksamkeit und Zuwendung (vgl. Lehnert 2005). Andererseits müssen sie über eine persönliche Standhaftigkeit als innere Kraft verfügen, im Sinn von Ich-Kraft. Auf die Jugendlichen zwischen Pubertät und Erwachsenwerden haben Erziehende von ihrem Ich her zu wirken. Das setzt einigermassen entwickelte «Ich-Kräfte» voraus, was für die praktische Erziehungsarbeit zweierlei bedeutet:

  • Erstens haben nicht alle Pädagog:innen ihre Ich-Kräfte gleich stark ausgebildet. So wie einzelne gut ausgebildete Ich-Kräfte besitzen, verfügen andere über eine stark ausgebildete seelische Feinfühligkeit und wiederum andere haben sich starke Willenskräfte oder sportlich-trainierte Vitalkräfte angeeignet. Natürlich können auch diese Menschen Ich-stark sein. Anders gesagt: Pädagog:innen können sich nur als Hilfs-Ich anbieten, wenn ihr eigenes ‹Ich› genügend ausgebildet und tragfähig ist. Die verschiedenen Persönlichkeitsausprägungen von Pädagog:innen erklären unter anderem, weshalb nicht alle für die Arbeit mit Jugendlichen zwischen 14 und 21-jährig geeignet sind. Wenn bei professionell Erziehenden die Ich-Kräfte noch wenig ausgebildet sind, sollten diese nicht mit dissozialisierten Jugendlichen. arbeiten – zum Vorteil aller Beteiligten.
  • Zweitens liegt darin ein Aufruf an die professionellen Pädagog:innen: Es gilt, die eigene Persönlichkeit dauernd zu entwickeln. Nur in Selbsterziehung und mit der wachsenden Erfahrung können wir mit der Zeit ein intuitiveres Verständnis für die nicht entwickelten Seiten der Jugendlichen und einen Zugang zu ihren inneren Seelenwüsten erlangen. Um ihre Haltungen und ihre Taten zu ertragen, um sie in ihrem inneren Wirrwarr erreichen zu können, müssen wir direkt aus unserem ‹Ich› arbeiten. Und ebenso müssen aus den Ich-Kräften der Pädagog:innen Wirkungen ausgehen können, die gesundend und harmonisierend auf den Jugendlichen wirken.

Trotz aller Aufmerksamkeit und Zuwendung, Konfrontation und Standhaftigkeit, Konstanz und Ich-Kraft der Pädagog:innen: Wir haben vermehrt Kinder und Jugendliche in den Institutionen, welche die Tragfähigkeit auch von erfahrenen, professionellen Pädagog:innen überfordern. Das ist ein gesamt-gesellschaftliches Problem, das nicht die Pädagog:innen lösen können.

Die Bezugsperson

Die meisten Institutionen der Nacherziehung arbeiten mit dem Bezugspersonensystem. Die Bezugsperson ist eine pädagogisch ausgebildete Fachkraft, welche für eine bis drei Jugendliche die direkte Ansprechperson ist. Sie begleitet und unterstützt diese Bewohner:innen während ihres Aufenthaltes am intensivsten und somit auch bei der Umsetzung ihrer Zielsetzungen. Sie führt mit jedem ihrer ‹Bezugsjugendlichen› das wöchentliche Bezugspersonengespräch durch mit starkem Alltags- und Realitätsbezug. Sie plant die Heimgehwochenenden, Besuche, Ferien und bespricht sie nach. Sie bietet ein Benimmtraining, ein Anti-Gewalt-Training oder Rollenspiele an, erklärt die Welt und gibt Hilfe zur Selbsthilfe. An der wöchentlichen Sitzung mit allen Pädagog:innen erfolgt der gegenseitige Informationsaustausch. Das Konzept der Bezugspersonen hat sich als Behandlungsmethode in der Nacherziehung bewährt und vermittelt im Realraum des Alltags grösstmögliche Objektkonstanz[1] (Schlieckau 2009; Datler 2004; Muck/Trescher 1993).


[1]     Objektkonstanz ist der erziehungswissenschaftliche Begriff für Beziehungskonstanz. Ich bevorzuge den Begriff Beziehungskonstanz, da ich weder Kinder, Jugendliche noch Pädagog:innen als Objekte betrachte.