12. Geisteswissenschaftliche Erziehungswissenschaft

Für praktisch tätige Pädagog:innen ist ein elementares Wissen über die Inhalte der Erziehungswissenschaften notwendig – auch wenn die Thematik oft theorie-basiert und schwierig verständlich ist.

Nachdem in früheren Kapiteln verschiedene Inhalte der empirischen Erziehungswissenschaft behandelt wurden, geht es nun um die Sichtweise der geisteswissenschaftlichen Erziehungswissenschaft.

Um erziehungswissenschaftliche Theorien mit ihren gehäuften Fachwörtern zu verstehen, benötigt es Konzentration und Willensleistung (vgl. Lenzen 2007, 120). Das ist oft keine freie pädagogische Kür, sondern mahnt vielmehr einer Pflichtleistung. Wer jedoch einen pädagogischen Beruf ausübt, muss heute sein/ihr Handeln begründen können. Denn das eigene Handeln basiert immer auf Theorien. Somit müssen wir als Pädagog:innen uns in den vielen Wissenschaften über die Erziehung zumindest etwas orientieren können. Wir benötigen Grundkenntnisse ihrer Geschichte, ihrer Entwicklung, ihrer widerstreitenden Theorien über Wirklichkeit, Zielsetzungen oder Methoden. Darauf soll das eigene pädagogische Handeln ja begründet sein, damit es möglichst angepasst, richtig und entwicklungsfördernd ist.

Gerade in der Nacherziehung müssen wir uns fragen, was uns die einzelnen Forschungsrichtungen der Erziehungswissenschaften an Grundlagen, Methoden und Hilfestellungen bieten, wo ihre Stärken, ihre Schwächen und Grenzen sind.

In Bezug auf die Nacherziehung sind in mehreren Kapiteln verschiedene Inhalte der empirischen Erziehungswissenschaft zusammenfassend und vereinfachend beschrieben (vgl. Kap. 1.4; 2.2.2; 5.3). In diesen Vereinfachungen ist enthalten, Wesentliches gar nicht zu erwähnen oder inhaltlich zu verfehlen. Das Ziel meiner Ausführungen ist indes nicht eine Einführung in die Erziehungswissenschaft und Pädagogik. Da besteht eine umfassende und sehr kompetente Literatur (z.B. Gudjons 2012; Tenorth 2010; Raithel/Dollinger/Hörmann 2009; Marotzki/Nohl/Ortlepp 2006; Lenzen 2007, 2004, 1976; Mollenhauer 2008, 2001; Blankertz 1981, 1975,; Klafki 1998, 1976, 1971).

Diese Herren – vor allem Herwig Blankertz, Wolfgang Klafki und Klaus Mollenhauer – haben ab den 19760-er Jahren zuerst eine Kritische Erziehungswissenschaft etabliert, die sich neu an sozialwissenschaftlich orientierten Wissenschaften orientierte. Darauf aufbauend haben dann andere Professoren wie Nohl, Lenzen, Tenorth verschiedene Strömungen der empirischen Erziehungswissenschaft weiterentwickelt. Es ist ein grosses Verdienst all dieser obenstehenden Professoren, im deutschsprachigen Raum die Erziehungswissenschaften massiv weiterentwickelt zu haben.

Nun wenden wir uns jedoch der Geisteswissenschaftlichen Erziehungswissenschaft und Pädagogik zu, die vorher, zwischen etwa 1900 und 1970, die mächtige und allein bestimmende theoretische Grundlage bildete.