13.5.1 Die psysische Organisation
Der Körper wird unterschieden in eine rein mineralische Ebene und eine physische Ebene.
Die mineralische Organisation besteht aus den Stoffen der unbelebten, mineralischen Welt. Sie beginnt ihren Aufbau mit der Zeugung und hat ihren Abschluss mit dem physischen Tod. Der mineralische Leib besteht aus den Stoffen, die nach dem Tod übgrigbleiben: ein kleines Häufchen mineralische Erde/Asche – oder poetischer: Sternenstaub.
Die physische Ebene ist der eigentliche physische Leib, den wir als Gestalt und als Formen am Menschen oder an seinen Organen sehen können. Zwischen Zeugung und Tod sind im Körper während des ganzen Lebens andauernd physische Kräfte am Werk, die wir als physische, chemische oder physikalische Gesetze kennen. Bei jeder Pflanzenart, Tiergattung und ebenso beim Menschen hat der physische Leib und die darin tätigen, spezifischen Organe je eigene Formen, Zyklen und Prozesse.
Der physisch-mineralische Leib ist mit naturwissenschaftlichen Wissenschaften erforschbar und ist heute der am besten erforschte und verstandene Teil des Menschen. Wir dürfen aber nicht glauben, dass wir diesen Leib wirklich kennen, beherrschen und gestalten. Wir sind ja nicht in der Lage, selbst das kleinste Blutkörperchen zu bewegen.
Aristoteles (384-322 v.Chr.) beschreib den Unterschied zwischen mineralischem und physischem Leib prägnant: «Der Stoff ist das Mögliche, die Form das Wirkliche.»
13.5.2 Physischer Leib: Pädagogische Ansatzpunkte
Die mineralische Ebene benötigte in den letzten Jahrzehnten keine besondere pädagogische Aufmerksamkeit – genügend Lebensmittel ermöglichten eine einigermassen ausgewogene Ernährung. Eine neue Tendenz ist nun seit einigen Jahren auszumachen: Durch die in unserer Kultur vermehrt auftretenden Allergien (z.B. Laktose-, Glutenallergie) oder auch bei vegan sich einseitig ernährenden Jugendlichen kommt es in den letzten Jahren häufiger es zu Mangelerscheinungen. Durch ärztliche Kontrollen und Zusatzpräparaten kann diesen mineralisch-stofflichen Mangelerscheinungen jedoch einfach begegnet werden.
Die physische Ebene ist bei den jungen Menschen in der Regel gesund. Der physische Leib regeneriert bei Krankheiten am schnellsten und benötigt daher wenig an pädagogisch heilender Einwirkung.
Zu beachten ist aus pädagogischer Sicht, dass der physische Leib in seiner Grösse, Form, Funktion und der Plastizität seiner Organe sowohl die Grundlage für die Qualität aller Sinneswahrnehmungen als auch für sämtliche Äusserungsmöglichkeiten des Menschen bildet. Das setzt bei allen Jugendlichen Massstäbe für mögliche Entwicklungen – und Grenzen für bestimmte Leistungsmöglichkeiten. So sind Jugendlichen mit einem grossen Körper und kräftigem Muskelbau eher prädisponiert für eine physisch-aggressive Kraftentfaltung als klein und schmächtig gewachsene.
Der physische Leib dient uns in der Pädagogik häufig als Indikator des seelisch-psychischen Leidens von Jugendlichen. Verhaltensauffällige oder traumatisierte Kinder und Jugendliche erleben durchgehend einen gestörten Kontakt zu ihrem physischen Leib. Das zeigt sich in einem gestörten Verhältnis zur Körpergeografie, da ihre Basalsinne (Tastsinn, Lebenssinn, Bewegungssinn, Gleichgewichtssinn) nicht genügend ausgebildet sind und sie sich dadurch nicht gut in ihrem Körper wahrnehmen. So können sie sich räumlich schlecht orientieren und stossen an Ecken und Kanten an. Oder sie benutzen den Körper als Repräsentationsobjekt, der einen äusserlich perfekten Schein bieten soll. Ganzkörperpeeling, Schönheitsoperationen, Bodyforming sind Ausdrücke der inneren Selbstwahrnehmung und dienen der Reduktion von Selbstunsicherheit, Spannungen und Ängsten. Das sind Phänomene unserer Kultur, die sich primär im äusseren Erscheinungsbild des physischen Leibes ausdrücken.
Bei Traumata aufgrund von sexuellem Missbrauch kann auch das Gegenteil geschehen, indem diese Jugendlichen ihre körperliche Hygiene gänzlich vernachlässigen. Sie waschen oder duschen sich nicht, haben strähnige fettige Haare und tragen über Wochen die gleichen Kleider.
Ein gestörter Kontakt zum eigenen Körper zeigt sich oftmals im Umgang mit dem persönlichen Besitz und materiellen Gegenständen: die Kinder und Jugendlichen verlieren ihre Identitätskarte oder ihre Hefte verschwinden spurlos, der neu gekaufte Zirkel ist nach einer Woche defekt, die teure Jacke irgendwo liegen gelassen.
Zu ergänzen bleibt, dass sich viele verhaltensauffällige Jugendliche häufiger physisch krank fühlen als andere Jugendliche und bei jedem Unwohlsein einen Arztbesuch und entsprechende Medikamente benötigen. Dies ist aber eigentlich ein Problem des Lebens- oder Empfindungsleibes: die fehlende Liebe, das Sich-nicht-angenommen-Fühlen drückt sich als seelisch-psychisches Leiden auf körperlicher Ebene aus. Viele dieser Jugendlichen psychosomatisieren ihr Leiden ab Beginn der Pubertät. Ein Blick auf die Absenzen im Schulzeugnis kann hilfreich sein: Sind in der 6. Klasse vielleicht 10 Stunden Absenzen aufgeführt, steigen diese in der 7. und 8. Klasse plötzlich auf 50 oder über 100 Stunden. Ein Anteil der Absenzen ist in der Regel auch als unentschuldigt vermerkt, weil diese Jugendlichen einfach im Bett liegen blieben, sich schlecht, motivations- und ziellos und damit ‹krank› fühlen.
Jede körperliche Tätigkeit stimuliert die physiologischen Abläufe und damit auch die Sinnesorgane und die Bildung der inneren Organe. Der physische Leib kann nur durch Aktivität seine Funktionen ausbilden. Was nicht geübt wird, bleibt unentwickelt, was beim Kind/Jugendlichen fehlstimuliert wurde, bildet in ihm eine ungeordnete Veranlagung. Deshalb wirkt jegliche Art von physischer Aktivität stabilisierend und damit heilend: sportliche oder erlebnispädagogische Aktivitäten, Spiele, Rhythmusübungen, aber auch Alltagsarbeiten wie Körperpflege, Hygiene, Waschen, Bügeln, Geschirr abwaschen und abtrocknen, darüber hinaus künstlerische und kunsthandwerkliches Arbeiten, welche die Sinne und die Feinmotorik schulen. Unterstützend wirken oft auch Massagen, Bäder, Osteopathie, Physio- oder Cranio-Sacrale Therapien, um sich in Erlebnissen im Körper besser wahrzunehmen.
13.5.3 Die Lebensorganisation
Die Lebens- oder Vitalorganisation hat einen naturgebundenen Teil und einen freien Teil.
Der naturgebundene Teil ist das mit dem physischen Körper und der Natur enger verbundene Glied. Alle Pflanzen, Tiere und Menschen besitzen einen Lebensleib, eine Vital-Organisation mit diesem naturgebundenen Teil. Da manifestiert sich ‹das Leben›, alles was lebt: Lebensvorgänge wie Ernährung und der daraus folgende Stoffwechsel, Wachstum, Kreislauf und Fortpflanzung. Aber auch die Gesetze der Vererbung, der Regeneration oder der rhythmisch sich wiederholenden Organfunktionen sind Charakteristika dieses naturgebundenen Teils. Es sind dabei dauernd Lebenskräfte und Formkräfte am Werk, die den physischen Leib beleben, gestalten und umbilden. Geisteswissenschaftlich betrachtet hindern diese ‹Gesetze des Lebens› den physischen Leib kontinuierlich an seinem Verfall.
Hinzu kommt die Zeit als bestimmender Faktor aller lebendigen Vorgänge, die wir vom Tageslauf der Gestirne kennen (Tag-/Nacht-, Monats- und Jahresrhythmus). Jede Lebensäusserung ist an bestimmte Entwicklungs- und damit Zeitläufe gebunden. Jedes Lebewesen mit einem Lebensleib hat ihm eigene besondere Zeitstrukturen (z.B. Wachstumszeit, Geschlechtsreife, Schwangerschaft, Lebenserwartung), die für dieses Lebewesen ebenso charakteristisch ist wie die Form- und Raumgestalt für den physischen Leib. Alles Leben vollzieht sich als Rhythmus in Rhythmen.
Der freie Teil ist nicht in die naturgegebenen Lebensvorgänge wie Wachstum eingebunden. Anders als die Pflanze, die vor allem auf Wachstum und Fortpflanzung eingeschränkt ist, besitzen das Tier und vor allem der Mensch einen zweiten freien Teil innerhalb der Lebensorganisation. Dieser ist bei der Geburt noch ‹leer› und unbeansprucht. Erst was das Kind und der Jugendliche durch die Erziehung erfährt, als seelische Eindrücke und Erfahrungen erlebt, wird dort aufgenommen und verarbeitet (Steiner 2011, S.97). Rein hierarchisch betrachtet ist dieser freie Teil der Lebensorganisation wie eine Verbindung zwischen den unteren physischen und den oberen seelischen Bereichen – was schon darauf hinweist, dass sich hier alles manifestiert, was die Medizin und Psychologie heute als psychosomatische Störungen bezeichnet (Weber 1994).
Der freie Teil ist das eigentliche Gedächtnis des Menschen: hier werden alle Erlebnisse und Erfahrungen gesammelt und gespeichert. Wer in einem funktional-mechanistischen Menschenbild das Herz als Pumpe bezeichnet, erkennt im freien Teil des Lebensleibes die Hard-disk.
Es ist ein Verdienst von Steiner bereits 1916 festzustellen, dass sich alle Wahrnehmungen als Kräfte in den Lebensleib fortsetzen – und sie «rufen da die Gedanken hervor, und die Gedanken graben wiederum ihre Spuren in den physischen Leib ein. Und dadurch, dass sie eingegraben sind, können sie immer wiederum aus der Erinnerung während des physischen Lebens herausgeholt werden.» (Steiner 1962, 32) Diese Aussage wurde durch die Ergebnisse der neurologischen Forschungen nun bestätigt. Hüther und Spitzer bezeichnen die Erkenntnisse auf dem Gebiet der Neuroplastizität (jedes Lernen verändert die physischen Strukturen des Gehirns) als grösste Erkenntnis der Neurologie des vergangenen Jahrzehnts (vgl. Kap 7.1).
Alle Erlebnisse zwischen Schwangerschaft und Tod hinterlassen physische Spuren im Gedächtnis der freien Vitalorganisation. Beim Tod verlässt die Lebensorganisation den physischen Leib. Dies erklärt die Rückschauerlebnisse von Menschen in Todesgefahr oder kurz vor Todeseintritt. Das Gedächtnis als Speicher auf der physischen Festplatte (physischer Körper) wird gelöscht – bleibt aber in der Lebensorganisation – als Bild: ‹Cloud› – erhalten.
13.5.4 Lebensorganisation: Pädagogische Ansatzpunkte
In der Pädagogik müssen wir das Prinzip der Wiederholung der Vitalorganisation beachten. Ob anerzogene Gewohnheiten, gemachte Erfahrungen, Süchte oder traumatische Erlebnisse: sie sind dem Prinzip der Wiederholung unterworfen. Für die Erziehung heisst dies, dass all die sichtbaren Verhaltensweisen pädagogisch von der Lebensorganisation aus anzugehen sind. Was heisst das konkret?
Pädagogik hat mit Lernen, Lernen hat mit Aufnehmen und Verarbeiten, Erinnern und Vergessen zu tun. Die ganze Erziehung beruht letztlich auf dem Aufnehmen, Verarbeiten und Erinnern von Eindrücken. Betrachten wir den Ablauf genauer: Zuerst empfängt das Kind/der Jugendliche Wahrnehmungen. Diese werden durch die Sinne aufgenommen, also über die Vitalorganisation. Die Sinneseindrücke lösen sofort Gefühle als seelisches Erleben aus. Das Verarbeiten und Erinnern ist jedoch immer eine Tätigkeit der Lebensorganisation! Auch der kleinste Sinneseindruck bringt den Lebensleib in Bewegung, indem er die Wahrnehmung verarbeitet und dem freien Teil einfügt und im physischen Leib abspeichert.
Wie eng die verschiedenen Leiber verbunden sind, kann ein einfaches Beispiel aufzuzeigen. Ein Jugendlicher erhält einen Absagebrief, dass er beispielsweise eine von ihm erhoffte Lehrstelle nicht bekommt (Sinneswahrnehmung über die Sinnesorgane der Lebensorganisation). Diese Mitteilung löst sofort Gefühle und Gedanken wie Enttäuschung, Wut, sich zurückgestossen fühlen aus (Psychisch-seelische Organisation). Weil diese Gefühle und Gedanken über sein Ich (Ich-Organisation) laufen, spürt er sofortige Reaktionen im Lebensleib, die sich im physischen Körper ausdrücken – er verspannt sich, das Herz schlägt schneller, die Hände werden feucht oder die Augen beginnen zu tränen. Nicht nur bei jedem kleinsten Sinneseindruck, sondern auch bei jeder kleinsten Erinnerung kommt der freie Lebensleib in Tätigkeit und drückt sich im physischen Leib aus.
Wir kennen aus unserem je individuellen Leben, dass wir ganz unterschiedlich mit Sinneseindrücken, Erlebnissen und Erinnerungen umgehen. Es gibt Eindrücke, die wir aufnehmen und dann allmählich wieder vergessen und solche, die in uns haften bleiben, die wir nicht vergessen (können). Im ersten Fall vergessen wir zwar die Eindrücke und sie sind nicht mehr in unserem Bewusstsein. Aber sie sind nicht verloren, sondern sie sind weiterhin da. Sie bleiben – als bildlicher Vergleich – im geistigen Organismus. Oder wem das zu geistig tönt: sie bleiben auf der Festplatte unseres Lebens gespeichert, auch wenn wir die Datei geschlossen haben. Oftmals können wir ja längst vergessene Ereignisse bei Bedarf wieder ins Bewusstsein zurückholen. Erinnert werden können sowohl einmalige intensiv erlebte Ereignisse als auch wiederholt wahrgenommene Eindrücke; beide werden in der Lebensorganisation aufgenommen und verarbeitet.
Die Frage ist, was mit vergessenen Vorstellungen geschieht, was sie im geistigen Organismus tun. Nach Steiner (2011, 100) sind es die vergessenen Eindrücke und Erlebnisse, die im freien Glied der Vitalorganisation arbeiten und somit diesen Teil des Menschen entwickeln. Anders gesagt: erst wenn wir Ereignisse vergessen können, sind sie auch seelisch oder geistig verdaut! Und erst wenn sie in die Vergessenheit hinunter sinken, sind sie frei und fügen sich in den freien Teil des Lebensleibes ein.
Es gibt in jedem Leben auch Erlebnisse, die wir nicht vergessen können. Solange eine Vorstellung in unserem Gedächtnis verhaftet bleibt, ist sie nicht verarbeitet, nicht ‹befreit›. Das zeigt sich auch darin, dass wir diese Vorstellungen immer auf einen Gegenstand oder einen Menschen beziehen, die unsere seelische Energie quasi innerlich fesseln.
Welche Erlebnisse bei einem Kind/Jugendlichen als Erziehungseindrücke in seinem freien Lebensleib eingefügt werden und als Erlebnisse sein Gefühlsleben (Psychisch-seelische Organisation) belasten, ist für seine biografische Entwicklung von grosser Bedeutung. Verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche leiden immer an unverdauten, belastenden bis traumatischen Erlebnissen.
Der freie Teil des Lebensorganisation dürfte bei den meisten Jugendlichen der Hauptansatzpunkt pädagogischer Nacherziehung sein. Alles was das Kind/der Jugendlich durch die Erziehung erfahren, als seelische Eindrücke erlebt hat, ist dort aufgenommen und verarbeitet. Der freie Teil ist das eigentliche Gedächtnis des Menschen: so sind hier auch anerzogene Gewohnheiten, Neigungen, Reaktionsweisen, psychosomatische Störungen, Süchte oder traumatische Erfahrungen gesammelt und eingespeichert als physische Spuren im Gedächtnis. Der physische Leib hat die Krankheitsursache in sich gespeichert, die Gesundung eines dysfunktionalen Verhaltens muss jedoch von der Lebensorganisation ausgehen! Das stellt uns vor die Frage: wie kann der Lebensleib gestärkt werden?
Da die Lebensorganisation nach dem Prinzip der Wiederholung und des Rhythmus funktioniert, kann eine Stärkung und Heilung durch Wiederholung, Rhythmus und Gewohnheiten erfolgen. Dazu gehören zuerst einmal ein regelmässiger rhythmischer Tages- und Wochenablauf. Der Tag muss geprägt sein von regelmässigen Essens- und Schlafenszeiten, Wechsel von Schule/Arbeit und Freizeit, regelmässigem Üben von Schulaufgaben oder Ämtli selbständig erledigen, gleichbleibenden Ritualen wie dem abendlichen Rückblick auf den Tag. Ebenso müssen die Wochen in einem regelmässigen Rhythmus ablaufen mit künstlerischen Übungen und/oder handwerklichen Tätigkeiten, der Wochensitzung der Bewohner:innen und dem Wochengespräch mit der Bezugsperson, in denen je ein inhaltlich anderer Rückblick und Vorausblick fester Bestandteil ist. In solchen Gesprächen liegt die Verantwortung bei uns, dass es uns immer wieder gelingt, Nähe aufzubauen und in einer ruhig-entspannten Stimmung das Verhalten und vor allem auch das gelungene Verhalten zu betrachten. Wir können dies auch als Aufmerksamkeitsübung gestalten, indem wir mit der Jugendlichen zusammen ein Ereignis und dessen Prozess von allen Seiten betrachten, ihre Sinneswahrnehmungen und die von ihr erlebten Gefühle und Gedanken anschauen. Diese Selbstwahrnehmung können wir mit unserer Fremdwahrnehmung ergänzen. Wir können so Erlebens- und Verhaltensmuster und deren Veränderungen bewusst machen und vielleicht neue Qualitäten wie Entwicklungsfähigkeit, Zufriedenheit, Freude oder Friedensfähigkeit als ‹gute Gewohnheiten› aufbauen.
Dabei kann uns das Modell von Bateson (1973) hilfreich sein, der Verhaltensänderungen als korrektive Erfahrungen beschrieben hat, die als Bewegung vom Unbewussten ins Bewusste und wieder ins Unbewusste führt.
Den Jugendlichen ist oft gar nicht bewusst, dass sie ein gesellschaftlich verlangtes Verhalten nicht gelernt haben und nicht können: 1) unbewussten Nichtkönnen. In Gesprächen über ihr konkretes Verhalten muss ihnen dieses Nichtkönnen bewusst gemacht werden: 2) bewusstes Nichtkönnen). Dann folgt das bewusste Üben von neuen Verhaltensweisen, bis ein 3) bewusstes Können etabliert ist, das im Zustand der Gewohnheit wieder ins Unbewusste sinkt als 4) unbewusstes Können (Abb. 35).
Abb. 35: Verhaltensänderung als korrektive Erfahrung

Nach Bateson 1973
Auf die Lebensorganisation stärkend wirkt auch das Erleben von ‹Ganzheiten› wie sie häufig in der Naturprozessen anzutreffen sind. Das Gärtnern (säen, pflegen, jäten, ernten, kochen, essen), Arbeiten mit Tieren (‹decken›, gebären, pflegen, füttern, misten, aufziehen, schlachten) oder das Erleben von Natur im Spiel, Sport oder Wanderungen. Besonders wichtig für den Lebensleib ist jedoch ein soziales Klima der Ehrlichkeit, Transparenz, Integrität und Wahrhaftigkeit in den Beziehungen.
Jeder Mensch weiss aus eigener Lebenserfahrung, dass Verlogenheit, Lügen, Argwohn, Zweifel oder Ängste an den Lebenskräften zehren und die eigenen Lebenszusammenhänge schwächen. Jede Störung der eigenen ‹inneren Stimmigkeit› und des ‹aufeinander Abgestimmt-Seins› zieht auf Dauer funktionelle Störungen nach sich, die sich im Laufe der Zeit physisch oder psychisch-seelisch negativ bemerkbar machen.
Alles Rhythmische vermittelt in den Wiederholungen Sicherheit und mit der Zeit auch innere Entspannung und trägt zur Angstverminderung bei. Unabdingbar für Fortschritte sind zusätzlich konstante Bezugspersonen, die mit den Jugendlichen zusammenleben, sie aushalten und ihnen beispielhaft, tragfähige Beziehungen erlebbar machen.