2.1 Begriffsklärung Normen und Werte

Normen

Das Wort norma stammt aus der lateinischen Sprache und bedeutet Richtschnur, Massstab, Regel, sittliches Gebot und Verbot oder leitender Grundsatz. Normen klären Rechte und Pflichten. Es sind eigentliche Handlungsanweisungen. Typische Normenformulierungen sind: «Du sollst…» (10 Gebote) und zum Teil auch ‹Man-Sätze› («Das macht man nicht!»). Normen zeigen die in einer Gesellschaft gültigen Verhaltensstandards oder Verhaltensregeln. Diese werden von der Mehrheit der Mitglieder einer Gesellschaft oder Gruppe anerkannt und geteilt. Normen reduzieren die Komplexität, indem sie das Verhalten von anderen Mitmenschen vorhersehbar machen. Sie schränken aber auch ein, indem beispielsweise abweichendes Verhalten als unzulässig erachtet wird. Weicht ein Mitglied der Gesellschaft oder Gruppe von der Norm ab, können Sanktionen erfolgen, um die Einhaltung der Normen zu garantieren (Schibli Leu 2009, 13).

Normen geben damit innerhalb einer Gesellschaft, Gemeinschaft oder Gruppe Sicherheit und eine gewisse Verbindlichkeit. Drei Grundnormen waren und sind in allen menschlicher Kulturen und Weltreligionen ein Thema: Freiheit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit. Normen und Normalität werden häufig definiert durch drei Faktoren und fünf Normalitätsbegriffe.

Abb. 3: Drei Faktoren des Normalitätsbegriffs

Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 4: Fünf Normalitätsbegriffe

Zwischen der Idealnorm und der praktisch-sozialen Norm bestehen immer Unterschiede! Je grösser diese Unterschiede, desto mehr leidet der Mensch an seiner Existenz. Die Faktoren 3 bis 5 relativieren Normen ungemein.

Die Grundlage von Normen bilden in der Regel Werte. Normen müssen auf Werte zurückgeführt werden können. Normen, die als Basis keine echten Werte beinhalten sind kritischstens zu hinterfragen!

Abb. 5: Normen und Werte

                                                                                                                      Quelle: Gudjons 2012, 198

Werte

Werte sind definiert als bestimmte gesellschaftliche Ziele und als Eigenschaften, die dem Menschen als erstrebens-wert oder wert-voll erscheinen. Es sind Präferenzen (Bevorzugungen, Vorlieben) in der Weise, dass man eine Sache der anderen vorzieht. Präferenzen treten dem Menschen z.B. bei Wahlentscheidungen ins Bewusstsein (vgl. Ott 2001, 35). Wenn der Mensch Vorlieben verspürt, will er diese meistens auch verwirklichen – und mit jeder Verwirklichung manifestieren sich Werte in der physischen Welt. Ein menschliches Leben ohne Werthaltungen ist somit nicht möglich. Würde der Mensch allein seine flüchtigen Vorlieben ausleben in einer vornehmlich hedonistischen Lebensweise, würde er nach Ansicht der idealistischen Philosophie den Sinn des Lebens existenziell verfehlen. Nach deren Auffassung existiert über der Ebene der Vorlieben eine zweite, höhere Ebene eine ewig geltende Wertewelt. Diese kann in einzelnen Kulturen einmal eher im Dunkeln liegen oder in Vergessenheit geraten und in einer anderen Kultur wieder mehr im Licht erscheinen. Nach Schorlemmer (1995) sind Inhalte einer höheren Wertewelt: Gerechtigkeit, Gleichheit, Rechtschaffenheit, Redlichkeit; Mut, Tapferkeit, Zivilcourage; Besonnenheit, Gelassenheit, Beharrlichkeit, Standhaftigkeit; Glaubensstärke, Gottvertrauen; Nächstenliebe, Mitleid, Erbarmen, Mitmenschlichkeit; Freundschaft, Hingabe; Toleranz, Weltoffenheit; Freiheit, Unabhängigkeit; Solidarität, Loyalität, Treue; Friedenswille, Gewaltlosigkeit; Gemeinsinn, Verantwortungsbewusstsein, Verlässlichkeit; Tat- und Schaffenskraft; Fleiss, Selbsterziehung, massvolles Handeln; Selbsterkenntnis; Naturbewahrung, ökologische Verantwortung. Plato erfasst diese Inhalte einfacher in seinem noch heute oft zitierten Satz: «Nur das Wahre, Schöne und Gute kann den Menschen wahrhaft befriedigen.» In gleicher Einfachheit und Prägnanz schafft es  Goethe, der sein Gedicht ‹Das Göttliche› mit dem Satz beginnt: «Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.»