4.4 Nacherziehung: Entwicklung 1970 bis heute

Zu Beginn der 1970er Jahre war auch die Schweiz von der ‹Heimkampagne› (1968-1972) betroffen. Die institutions- und herrschaftskritische 68er-Bewegung verschaffte sich als ausserparlamentarische Opposition mit ihren Berichten aus Heimen und spektakulären Aktionen nachhaltig Gehör in der Öffentlichkeit. In Presse, Radio und Fernsehen häuften sich die Berichte über Missstände in Jugendheimen. Diesen wurden grobe Erziehungsmethoden wie Prügelstrafen, Einzelhaft, Essensentzug und Kahlschnitt vorgeworfen. Trotz allen Aufdeckungen kam es zu Frontenbildungen und Abwehrhaltungen – der Heimkampagne gelang die gewünschte Neuorientierung und der Aufbruch im Heimwesen nicht. Ein Ergebnis der Heimkampagne ist die Gründung zahlreicher familienähnlicher Einrichtungen wie Heilpädagogische Grossfamilien, Sozialpädagogische Grossfamilien und Sozialpädagogische Wohngemeinschaften. Etwas später wurden die ersten Familienplatzierungs-Organisationen (FPO) gegründet, die sich in seit der Jahrtausendwende vervielfacht haben. Eine Untersuchung der Fachstelle Integras zeigt, dass mittlerweile in der Deutschschweiz mindestens 60 FPO ihre Dienste anbieten (Keller/Aebischer/Shuler 2012, 9). Die Untersucher erhielten genaueren Einblick in über einen Drittel dieser FPO: «2011 betreuten 20 FPO 1’021 Kinder während 155’261 Betreuungstagen und erzielten hierbei einen Umsatz von Fr. 29’506’044.-» (ebd. 15).

In die Zeit der Heimkampagne fiel die Schlussdiskussion über den Bedarf und die Konzeption einer ‹Anstalt für Schwersterziehbare›. Nach rund 30 Jahren Diskussionen in Fach- und Politgremien wurden mit der Strafrechtsrevision von 1971 zwei neue Institutionstypen für «besonders erziehungsschwierige Jugendliche» geschaffen: Therapieheime und Anstalten für Nacherziehung (Art. 93ter StGB). Um diesem neuen Institutionstyp nachzukommen, wurden verschiedene bestehende Institutionen in Therapieheime und Anstalten für Nacherziehung (ANE) umgebaut und konzeptionell angepasst. Ab Mitte der 1980er Jahre folgten die geschlossenen Durchgangsstationen für Übergangsplatzierungen, Untersuchungshaft, Freiheitsstrafen und Massnahmenplanung, in denen Jugendliche für maximal 90 Tage platziert werden durften. All diese Institutionen gründen in ihrem Behandlungsansatz bis heute vor allem auf dem verhaltenspädagogischen Bonus-Malus-System (vgl. Kap. 12.2).

Bis etwa 1990 galt allgemein die Annahme, dass bei dissozialisierten jugendlichen Straftätern selbst beste Psychotherapien, Schulungs- und Erziehungsmassnahmen keine oder nur eine geringe Wirkung erzielen. Die Erfahrung zeigte, dass eine ‹Heilung› im Sinn einer Sozialisierung und Integration in die Gesellschaft meist misslang. Denn viele Jugendlichen wurden nach ihrem Austritt rückfällig und begingen neue Straftaten. Diese Jugendlichen wurden in Erziehungsheimen gehalten mit dem Ziel, dass sie durch Arbeit und eine geregelte Tagesstruktur später wenigstens als Hilfsarbeitskräfte ihren Lebensunterhalt verdienen und so ein von der Sozialhilfe unabhängiges Leben führen können. Erst Anfangs der 1980er Jahre begann sich die wissenschaftliche Meinung durchzusetzen, dass einige Massnahmen unter bestimmten Bedingungen bei bestimmten Jugendlichen Verhaltensänderungen bewirken. Diese Erkenntnis und dieser Fortschritt ist der empirischen Wissenschaft zu verdanken: systematische Forschungen und Meta-Analysen fanden kleine aber signifikante Unterschiede und stellten teilweise grosse Wirksamkeitsunterschiede zwischen den verschiedenen Behandlungsmassnahmen fest (Lösel/Bender 2005; Übersicht in Lösel 1995; Izzo/Ross 1990; Tanner 1981). Auch aufgrund dieser Erkenntnisse wurden ab Anfang der 1990er Jahre die vormals streng verhaltenspädagogischen Konzepte mit erlebnispädagogischen, systemischen und lösungsorientierten Ansätzen erweitert und mit betreuten Aussenwohngruppen ergänzt.

Nach 1970 wurden Grossfamilien und ab 2000 vermehrt Kleininstitutionen als Wohn- und Arbeitsgemeinschaften gegründet. Diese Kleininstitutionen mit 3 bis 10 Plätzen verstehen sich als Alternativen zu den klassischen staatlich finanzierten Heimen, die eigentliche Grossbetriebe geblieben sind. Die Kleininstitutionen bieten einen internen Unterricht und stark individualisierte Betreuung und Förderplanung. Im Gegensatz zu den Familienplatzierungen arbeiten in diesen Kleininstitutionen professionell ausgebildete Pädagog:innen. Familienplatzierungen, Grossfamilien und Kleininstitutionen arbeiten stark individualisiert und sind für einweisende Behörden eine wertvolle Ergänzung zu den Platzierungen in klassischen Erziehungsinstitutionen geworden.

Seit etwa 2000 bauten viele Städte ihre ambulanten und teilstationären Angebote aus. Nach dem Konzept der Sozialraumorientierung wurden Familiensysteme mit Erziehungsschwierigkeiten mit neuen Angeboten wie Schulsozialarbeit, betreute Tagesstrukturen, Familienbegleitungen an ihrem Lebensort gestützt und beraten. Neben dem Ziel, die Probleme direkt im angestammten Sozialraum zu lösen, sollen einigermassen noch funktionierende Familien nicht auseinandergerissen und teure Heimplatzierungen vermieden werden. Diese neuen Angebote sind nicht nur billiger, sondern oftmals situationsadäquater als stationäre Platzierung.

Für die stationären Einrichtungen hat diese veränderte Strategie – zusammen mit den zusätzlichen Sparprogrammen von Bund und Kantonen und den stark rückläufigen Platzierungen der Jugendanwaltschaften – massive Auswirkungen. Diese Entwicklungen bedeuten für die stationären Institutionen aktuell und für die nächste Zukunft:

  • Die Anfragen und die Belegung sind rückläufig. Dies gilt für alle stationären Institutionen ausser für die Geschlossenen und Halboffenen Institutionen und die Jugendpsychiatrie, die alle auf Monate hinaus übervolle Wartelisten aufweisen. Bei den ‹klassischen Erziehungsheimen› dagegen schlugen die rückläufigen Platzierungen teilweise brutal ein und millionenteure Ausbauten mit Steuergeldern stehen leer oder müssen einer alternativen Nutzung zugeführt werden.
  • Der Trend geht klar in Richtung Individualisierung: die Institutionen müssen ihre Angebote an die individuelle Problematik der Jugendlichen anpassen: individualisierte Massnahmen, individualisierte Förderpläne mit Begleitung, Unterricht, Therapie, Berufsabklärung, Arbeitstraining oder Lehre. Das über Jahrzehnte und oft gehörte Argument: «Der/die Jugendliche passt nicht in unser Konzept» hat ausgedient. Institutionen, die ihre Konzepte nicht zunehmend den Jugendlichen anpassen, werden schwierige Jahre vor sich haben. Ohne prophetische Gaben sind Schliessungen von bisherigen ‹08.15-Institutionen› unausweichlich.
  • Die stationären Aufenthalte werden vermehrt zeitlich begrenzt vereinbart, mit klarer kurz- bis mittelfristiger Zielsetzung und Förderplanung. Eine drei bis vier Jahre dauernde stationäre Massnahme, die erst mit erfolgreichem Lehrabschluss beendet wird, kommt heute selten vor. Dieses ‹alte Modell› kommt mehrheitlich nur noch bei der kleinen Gruppe von früh verwahrlosten, früh traumatisierten resp. gewalttätigen oder stark dissozialisierten Jugendlichen zur Anwendung oder bei stärkeren Behinderungen.
  • Die Entwicklung der letzten Jahre geht weiter: Es werden zunehmend nur die wirklich ‹schwierigen›, d.h. massiver verhaltensauffälligen Jugendlichen platziert. Jugendliche mit leichten Vergehen, die oftmals mit ihren recht gesunden Persönlichkeiten und ihrem normalen Verhalten in den Institutionen wertvolle ‹Sozialisationshilfen› waren, bleiben aus. Das stellt alle Institutionen vor zusätzliche Schwierigkeiten. Eine ungeklärte Frage in dieser neuen Situation ist: Wie sollen dissozialisierte Jugendliche einigermassen soziales und normales Verhalten lernen, wenn sie keine Normalbilder und Korrekturhilfen von Gleichalterigen haben?
  • Die Psychiatrie wird ihre Macht in der Pädagogik weiter ausbauen. AssistenzärztInnen werden sich in Diagnosen üben und gerne verschiedene Medikamente verschreiben. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die Pädagogik – und gleichermassen die Sozialarbeit – sich dem ‹Primat der Ärzte› beugen. Es liegt in der Natur der Sache, dass ÄrztInnen ihren Focus primär auf die kranken Anteile der Persönlichkeit richten, diese diagnostizieren und Medikamente verschreiben. Die Pädagogik hat demgegenüber die gesunden Anteile im Focus, die es zu diagnostizieren, zu stärken, zu fördern und auszubauen gilt im pädagogischen Alltag. Dies können die Mediziner:innen nicht bieten. Deshalb müssen sich die Pädagog:innen in Zukunft klarer positionieren mit ihren Kernkompetenzen – wenn sie nicht zu Handlangern der Medizin verkommen wollen.
  • Bund und Kantone werden noch einige Jahre die klassischen Rettungsprogramme direkt finanzieren: Jugendgefängnisse, Geschlossene und halboffene Institutionen, traditionelle Erziehungsheime und auf der medizinischen Seite die Jungendpsychiatrischen Kliniken. Die in den vergangenen Jahrzehnten gegründeten privatrechtlichen Projekte, die kleiner, flexibler, individuums-orientierter und tendenziell innovativer in die Zukunft weisen, werden weiterhin Fall bezogen finanziert. Auch im Bereich der stationären Platzierungen ist es nicht Pflicht des Staates innovativ zu sein.

Durchgangsheime: Geschlossene Gruppen

In Durchgangsstationen bestehen Geschlossene Gruppen für Jugendliche. Ein solcher Aufenthalt innerhalb klarer Strukturen der Geschlossenheit dient als Krisenintervention, zur Abklärung, Stabilisierung und Suche einer Anschlusslösung. Die üblicherweise maximale Aufenthaltsdauer von 90 Tagen zeigt, dass Geschlossene Gruppen nur für kurzfristige Platzierungen gedacht sind. Jugendliche, die einen längerfristigen Aufenthalt in einem geschlossenen Rahmen benötigen, werden in spezialisierte Jugendheime mit Geschlossenen Abteilungen (ehemalige ‹Anstalten für Nacherziehung›; siehe Kap. 12.1) eingewiesen.

Zu Beginn der 1990er Jahre waren rund 95% aller Jugendlichen in den Geschlossenen Gruppen aufgrund einer Drogenproblematik eingewiesen. Die Einweisungsgründe lauteten häufig ‹Dissozialisierung und kriminelle Handlungen aufgrund von Drogenkonsum›. Heroin war die Hauptdroge, die zu Beschaffungskriminalität und Verelendung führte. So waren geschlossene und halboffene Institutionen vielfach eigentliche ‹Drogentherapie-Stationen›. Wenn es gelang, die Jugendlichen in ein drogenfreies Leben zu begleiten, verwandelten sich die verwahrlosten Junkies oft in hochsensible aber seelisch gesunde und kräftige junge Menschen. Neben den schweizerischen Jugendlichen wurden vor allem Italiener, Spanier und Türken strafrechtlich eingewiesen. Das Durchschnittsalter der Jugendlichen lag 1992 bei genau 17.0 Jahren (Schmidt 1992; Weber 2002, 20).

In den Jahren 1995 bis ca. 2000 sank das Eintrittsalter auf 16.5 Jahre[1]. Mit ein Grund war sicherlich das seit dem 1. Januar 1996 auf 18 Jahre heruntergesetzte Mündigkeitsalter. In dieser Zeit wurden erstmals 13 und dann gar 12 Jährige in die geschlossenen Institutionen eingewiesen, ohne massiven Drogenkonsum, dafür waren zunehmend verhaltensauffällige und teilweise gänzlich unerzogene Kids mit diversen Delikten darunter. Eine weitere Veränderung war die Zunahme von ausländischen Jugendlichen, zuerst aus Ex Jugoslawien als Opfer der Jugoslawienkriege, später dann aus der Türkei. Es waren Jugendliche, welche die Normen und Gesetze unserer Kultur gar nicht kannten und frisch und fröhlich dagegen verstiessen. Im Vergleich zu heute mussten Jugendliche damals gelegentlich nur leicht gegen das Gesetz verstossen und sie wurden rasch in eine geschlossene oder halboffene Gruppe eingewiesen. Heimeinweisungen waren quasi Standard, weil die heute vorhandenen teilstationären und ambulanten Angebote erst im Aufbau waren oder noch nicht existierten. Eine Rückkehr ins Elternhaus war in dieser Zeit eher selten und wurde von den stationären Institutionen in der Regel auch nicht empfohlen. Der Glaube an die heilende Wirkung von Heimerziehung war zu dieser Zeit hoch, weil die Erfahrung in geschlossenen Institutionen gezeigt hatte, dass teilweise sogar stark dissozialisierte oder drogenabhängige Jugendliche integriert und sozialisieret werden konnten.

Zwischen 2000 und 2005 fiel das Durchschnittsalter auf knapp 16 Jahre (DSW Winterthur: 16.19 Jahre). In den Jahren 2006 bis 2012 sank es weiter auf 15.5 Jahre (DSW Winterthur: 15.53 Jahre,) mit dem häufigsten Auftrag der vorsorglichen Massenahme nach JStG/StPO (Abklärungsauftrag und Massnahmenplanung). Im Platanenhof resp. in der DSW betrug der Anteil der Einweisungen zwischen 2006 bis 2012 bei den männlichen Jugendlichen nach JStG 62.5% resp. 80.4% und nach ZGB 35,5% resp. 19.6%. Dagegen ergab sich bei den weiblichen Jugendlichen mit einem Anteil von 21.1% nach JStG und von 78.9%[2] nach ZGV ein ganz anderes Bild.

Zwischen 2005 bis 2010 war die deutlich zunehmende Gewaltkriminalität ein neues Hauptthema. Die statistischen Zahlen erlebten die Mitarbeitenden von Geschlossenen Institution direkt: Jugendliche die sofort mit einem überproportionalen Ausmass an Gewaltanwendung reagierten. Den Medien berichteten ausführlich über die Gewaltkriminalität, die in der Bevölkerung einen nachhaltigen Eindruck hinterliess. Gewaltbereite Jugendliche sind heute in diesen Institutionen immer noch vertreten, auch wenn die Anzahl in den letzten Jahren rückläufig ist.

Es war um 1995 als die ersten Psychiater ihre Konsiliardienste in Geschlossenen Einrichtungen begannen. Rund 10 Jahre später hat die Psychiatrie dank des neuen JStG in den Heimen starken Einfluss erhalten. Seit 2007 verlangt das JStG in Art. 9.3 bei einer Unterbringung in einer stationären Einrichtung, dass «die zuständige Behörde eine medizinische oder psychologische Begutachtung» anordnet. Bei psychischen Auffälligkeiten werden diese Begutachtungen – gewiss auch zur Absicherung der einweisenden Jugendanwaltschaften – seither oft von den neu gegründeten, spezialisierten Jugendforensischen Abteilungen durchgeführt. Dies wiederum dürfte mit ein Grund sein, dass die stationären Institutionen heute eine grössere Zahl von Jugendlichen mit psychiatrischen Konstitutionsbildern bzw. mit Verdachtsdiagnosen betreuen. Überproportional vertreten sind die Diagnosen Psychosen (teilweise aufgrund von Drogenkonsum), Verdacht auf Schizophrenie, ADS/ADHS (stark überproportional), emotionale Instabilität (in der Regel impulsiver Typus), Störungen des Sozialverhaltens (unterdurchschnittliche soziale Anpassung), Ich-Schwäche (geringe Frustrationstoleranz, emotionale Labilität). Von vielen pädagogischen Fachpersonen wird nicht davon ausgegangen, dass bei Jugendlichen wirklich eine markante Zunahme an psychischen Störungen vorliegt. Ihrer Einschätzung nach handelt sich eher um eine Folge der ‹Pathologisierung der Jugendlichen›. Untersuchungen der Krankheitshäufigkeit im Jugendstrafvollzug zeigen bei 81% der weiblichen und bei 70% der männlichen Jugendlichen psychische Störungen mit klinischer Auffälligkeit (Cauffman 2004 [bearb. v. Graf/Schmeck, 2011]). Eine Folge dieser Entwicklung dürfte auch die stark zugenommene Abgabe von Medikamenten sein. Die Mehrheit der Jugendlichen tritt heute mit einem Medikamentendosierer ein, der ärztlich verschriebene Neuroleptika (Risperdal, Nozinan, Dipiperon), Ritalin/Concerta oder Strattera enthält.

In den letzten Jahren ist eine Zunahme von jüngeren Jugendlichen zwischen 11, 12, 13-jährig und in einzelnen Institutionen von 18 bis 19 Jährigen festzustellen. Die älteren sind durchwegs strafrechtlich eingewiesene Jugendliche, bei denen die Jugendanwaltschaften den Vollzug bis zum 22. Altersjahr beibehalten. Das Durchschnittsalter liegt bei der Mehrheit der Institutionen zwischen 15 bis 17 Jahren. Der Platanenhof weist mit einem Durchschnittsalter zwischen 14 bis 15 Jahren die jüngsten Jugendlichen aus. Rund 60% aller Jugendlichen sind SchweizerInnen und 40% AusländerInnen. Von den Migrantengruppen sind türkisch stämmige Jugendliche nach wie vor am stärksten vertreten, gefolgt von Jugendlichen aus Ex- Jugoslawien. Die ‹Ausländerproblematik› beschäftigt zwar weiterhin, aber die Anfangswogen haben sich gelegt. Diese Problematik steht nur noch bei schweren Delikten im Zentrum, da reagiert die Öffentlichkeit rasch sensibel. Ebenso ist in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme von Jugendlichen jeglichen Alters zu verzeichnen, die ihre Eltern, besonders alleinerziehende Mütter, bedrohen und auch schlagen um sich durchzusetzen.

Noch in den 1990er Jahren führten Delikte wie Diebstahl, Sachbeschädigung, Töffli frisieren oder ein Gartenhaus anzünden bei Jugendlichen aus der Unter- und Mittelschicht vielfach zu einer Einweisung. Heute werden Jugendliche mit solch kleineren Vergehen nicht mehr in geschlossene oder halboffene Institutionen eingewiesen, wenn ihr familiäres Umfeld auch nur halbwegs intakt ist und eine minimale Tragkraft aufweist. Somit ist festzustellen, dass die Mentalität und Praxis, welche Vergehen strafrechtlich in welcher Weise zu ahnden sind, sich in den letzten 20 bis 30 Jahren stark verändert haben.

Sollten die politischen und kriegerischen Auseinandersetzungen im nordafrikanisch-arabischen Raum anhalten, ist in den nächsten Jahren mit einer Zunahme von straffälligen Jugendlichen aus diesem Raum zu rechnen. Die Jugendanwaltschaften sind bis jetzt mit stationären Massnahmen von solchen Jugendlichen zurückhaltend, da der unsichere Aufenthaltsstatus und die drohende Ausweisung die hohen Kosten einer Unterbringung nicht rechtfertigen.  


[1]     Die hier dargestellten Inhalte und die Zahlen verdanke ich wesentlich Frau Annette Denz (AH Basel), Herr Hans-Peter Amann (Platanenhof), Herr Jürg Baumgartner (Viktoria-Stiftung) und Herr Wolfgang Schmidt (DSW Winterthur)

[2]     Es stehen nur die Zahlen des Platanenhofs und der DSW zur Verfügung. In den anderen Institutionen wurden keine genauen Erhebungen durchgeführt.