7.3 Fazit und Ausblick

Verschiedene Neurowissenschaftler:innen kritisieren die bestehenden Gesellschaftsstrukturen stark. Ihre Kritik kann zusammenfassend als Objektgebrauch und Objektmissbrauch bezeichnet werden. Einerseits benutzen wir materielle Objekte, ohne uns über die neuronalen Ursachen und Folgen Gedanken zu machen. Aber auch die Mitmenschen drängen und missbrauchen wir in Objektbeziehungen. In der Schule verwenden die Lehrer:innen die Schüler:innen als Objekt ihrer Belehrungen, Bewertungen oder Massnahmen. In der Arbeitswelt verwenden die Vorgesetzten die Mitarbeitenden als Objekte, der Therapeut die Patientin, die Pädagog:innen die Jugendlichen. Aus Sicht der Neurowissenschaftler müssten wir Menschen uns vielmehr von Mensch zu Mensch, vom Ich zum Du, von Subjekt zu Subjekt begegnen, damit wir optimal voneinander lernen und uns gegenseitig entwickeln könnten. Hüther und Spitzer kommen zum Schluss, dass wir bei gelebten Subjekt-Subjekt-Beziehungen nicht so viele Ersatzbefriedigungen in virtuellen Welten oder im Kauf von materiellen Gütern tätigen müssten. Unser Umgang mit der Objektwelt und den Mitmenschen bezeichnen beide als nicht optimal – und dies sei uns eigentlich auch bewusst.

Wenn wir die Erkenntnisse der Neurowissenschaften in der Erziehung und Nacherziehung ernst nehmen, erwischt dies die pädagogischen Konzepte vieler Institutionen auf der vollen Breitseite. Dann wird nicht nur die Macht der Mitarbeitenden als Vertreter einer institutionellen Autorität, sondern auch die Erziehung über Druck und Strafe, Bonus-Malus-Pädagogik obsolet. Denn dann müssen wir in der Funktion Pädagog:in als Subjekt, als Mensch hin stehen, motivieren, inspirieren, Freude und Begeisterung wecken, damit falsch angelegte Spuren in neue ‹richtige› Spuren verwandelt werden. Das bedeutet nichts weniger als einen neuen pädagogischen Ansatz in der Nacherziehung.

Das heisst: wir haben kein Erkenntnisproblem. Denn wir wissen: was wir da machen als Pädagogik, das ist nicht optimal. Aber wir machen es trotzdem weiter. Somit haben wir als Individuum und als Gesellschaft ein Umsetzungsproblem (vgl. Hüther 2016a, 2016c). Daran müssen wir in Zukunft arbeiten.